TRAININGSEFFEKTE

angst Vor muskelpaketen? unbegründet. Was Krafttraining wirklich im Körper anrichtet.

Die einen stehen schon nach ein paar Bizeps curls vor dem Spiegel und warten aufs Sixpack und die Muskelbepackten Oberarme, die anderen wagen Hanteln kaum anzurühren, weil sie fürchten, nach dem Training nicht mehr in ihre Skinny jeans zu passen. Beides ist unrealistisch. ERstens passt sich Der Körper nur langsam an die neuen Reize an, und zweitens passiert noch ganz viel mehr im Körper als einfach „nur“ Muskelwachstum. Auch wenn oft ästhetische Aspekte im Vordergrund stehen, ist Krafttraining vor allem gesund – und für ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter unverzichtbar.

Es ist toll, wenn die Aussicht auf einen definierten Body mit mehr Muskeln und weniger Fettpolster uns motiviert, mit Krafttraining anzufangen und kontinuierlich dabei zu bleiben. Ganz nebenbei laufen hinter den Kulissen aber auch Prozesse ab, deren Effekte den Körper auf wesentlicherere – und vor allem nachhaltigere – Weise verändern.

Nach 4 bis 6 Wochen

Die Haltung verbessert sich, weil der Muskeltonus, also die Grundspannung der Muskeln, sich erhöht hat. In der Muskulatur haben sich mehr Aktin und myosin eingefunden: Proteine, die für die Muskelkontraktion sorgen. man hat bereits mehr Kraft und ist beweglicher, die Gelenke sind besser geschmiert und allfällige SChmerzen werden weniger. Die Muskeln arbeiten effektiver zusammen, Reflexe und Motorik sind verbessert. Meist spürt man die Veränderung schon selbst, sei es beim Öffnen eines Einmachglases oder beim Treppensteigen. Manchmal sehen es auch andere, weil man sich im Alltag anders bewegt und eine aufrechtere Haltung einnimmt.

Nach 6 Wochen bis 6 Monaten

Wer kontinuierlich dabei bleibt, wird beobachten, dass die Umstellung von Belastung auf Erholung und Umgekehrt leichter fällt – meist merkt man das daran, dass man sich weniger überwinden muss, um ins Training zu gehen, und sich danach deutlich besser fühlt. Ebenfalls kann man jetzt eine Zunahme der Muskelmasse feststellen. im ersten Jahr kann das bis zu 1kg pro Monat sein. Je nach Veranlagung und Trainingsfokus werden Arme, Bauch und Beine definierter. Das kann dazu führen, dass man erst mal an Gewicht zunimmt – oder zumindest sich auf der Waage keine Abnahme zeigt. Muskelmasse ist etwas schwerer als Fettmasse.

Im Hintergrund, oft noch unsichtbar, verändert sich die Körperzusammensetzung: Mehr Muskeln und weniger Fett. Denn Muskeln verbrauchen, anders als Fettmasse, auch in Ruhe einiges an Energie. Zusätzlich erzeugt Krafttraining den sogenannten Nachbrenneffekt (EPOC = Excess Post-exercise Oxygen Consumption). Das Bedeutet, der Körper verbrennt noch Stunden nach dem Workout zusätzliche Kalorien. Dieser Effekt ist beim Krafttraining stärker als beim Ausdauertraining.

Krafttraining beeinflusst Hormone wie Testosteron und das Wachstumshormon Somatotropin. Beide fördern den Muskelaufbau und unterstützen gleichzeitig den Fettabbau. Zudem verbessert Muskelgewebe die Insulinsensitivität: Glukose wird besser in die Zellen aufgenommen und weniger als Fett gespeichert. Das ist ganz besonders wichtig zur vermeidung von Übergewicht und bei Typ-2-Diabetes.

Glukose ist traubenzucker und gelangt über die Nahrung ins Blut, Das Hormon Insulin sorgt dafür, dass die Zellen die Glukose aufnehmen. Ein Teil wird sofort zur Energiegewinnung verbrannt (fun fact: allein die Hirnzellen brauchen ca. 100g Glukose am Tag, um zu funktionieren!). Einiges wird als Glukogen in Muskeln und Leber gespeichert. Nur der überschüssige Zucker wird in Fett umgewandelt. Wenn wir unser Gewicht kontrollieren wollen, achten wir auf den Fettanteil, der im gesunden Rahmen bleiben soll.

Alter in JahrenKörperfettanteil FrauenKörperfettanteil Männer
20–3921–32 %8–19 %
40–5923–33 %11–21 %
60–7924–35 %13–24 %

QUelle: Gallagher et al. (2000)

Das erreicht man, nebst gesunder Ernährung, eben auch mit Krafttraining. Die kleine Zauberei heisst Rekompensation: Fettabbau und Muskelaufbau gleichzeitig.

Nach 6 bis 12 Monaten

Im zweiten Trainingshalbjahr gilt man als Geübt – man ist ein „habitué“. Das Training hat einen festen Platz im Alltag. Jetzt wächst die Muskelmasse monatlich um 1 – 1.5% des Körpergewichts. Je nach Ausgangslage können das nach einem Jahr 10-13kg Muskelmasse sein. An die ersten deutlichen Veränderungen hat man sich schon ein bisschen gewöhnt. Was nun passiert, ist nicht mehr so offensichtlich, aber nicht minder bedeutend. Einerseits kann man eine Straffung der Haut beobachten, andererseits werden auch die passiven Strukturen im Körper stärker: Bänder, Gelenke, knorpel und Knochen stellen sich auf das neue Belastungsniveau ein. Vielleicht stellst du fest, dass auch nach langem Stehen in der Küche sich kaum mehr Rückenschmerzen bemerkbar machen und die Gelenke selbst nach intensiven Belastungen bei anstrengender Gartenarbeit nicht schmerzen. Allgemein sind im Alltag auch ungewohnte und seltenere Aktivitäten müheloser und länger bewältigbar.

Auch das gehirn profitiert: es bilden sich neue synaptische Verbindungen, bestehende werden effizienter. Im Alltag macht sich die Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bemerkbar: wir können uns Einkaufslisten besser merken und finden rascher kreativere Lösungen, weil wir Informationen schneller und vernetzter verarbeiten können. Krafttraining verbessert tatsächlich auch das Denken!

NAch 1 – 3 Jahren

Deine Bewegungsabläufe haben sich automatisiert, das Training ist an deinen Fortschritt angepasst: Du arbeitest mit bereits anspruchsvollen Gewichten und schaffst regelmässig ein bemerkenswertes Pensum. In Deinen ERholungsphasen wachsen Deine Muskeln weiter, wenn auch nicht mehr so stark wie zu Beginn. nach 2 Jahren Training ist ein monatlicher Zuwachs von 0.5 – 1% des Körpergewichts möglich – rund 500g pro Monat. Nach dem 3. Jahr halbiert sich das auf ca. 250g, immerhin noch 2-3kg im Jahr. Je nach Körperzusammensetzung zu Beginn des Krafttrainings zeigt die Waage jetzt möglicherweise mehr Gewicht an, obwohl der Körperfettanteil gesunken ist.

Die Knochen passen sich der neuen und regelmässigen Belastung an. die Knochenbälkchen werden besser ausgerichtet und Die Knochenmasse nimmt zu, weil mehr STrukturproteine eingebaut werden. damit werden die Knochen belastbarer. besonders wichtig ist das für Menschen mit Osteoporose.

Die Kapillarisierung nimmt zu – die kleinen Blutgefässe im Muskelgewebe sorgen vermehrt für eine bessere Durchblutung der Muskeln, um sie mit Sauerstoff zu versorgen. Dadurch steigen die körperliche Leistungsfähigkeit und die Ausdauer, Die Muskeln können effizienter arbeiten, ermüden langsamer und erholen sich schneller. Schliesslich verringert sich auch das Risiko von Muskelverletzungen.

Langfristig: ein aktives und selbstbestimmtes LEben

Unser Körper passt sich den Anforderungen an, die wir an ihn stellen. Er baut auf, was gebraucht wird, und spart ein, was nicht beansprucht wird. Ein Um-, Ab- und Aufbauprozess, der im Körper ständig abläuft. Durch regelmässige Bewegung und gezielte Belastung werden wir leistungsstärker und können Reserven aufbauen. Reserven, für die wir im Alter, wenn die Abbauprozesse natürlicherweise zunehmend Überhand nehmen, dankbar sein werden.

Wer nichts tut, verzichtet nicht nur auf die Vorteile eines aktiven Lebensstils, sondern riskiert im Alter Stürze, Einschränkungen im Alltag und Abhängigkeit von Hilfe. So schön Unterstützung ist – sie bedeutet oft auch Fremdbestimmung und Verzicht.

Das alte Sprichwort „spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ könnte in Bezug auf unseren Körper lauten: trainiere in der Zeit der STärke, dann schützt Du Dich für die Zeit der SChwäche. Dein Körper kann mehr als du glaubst! Nimm dir jetzt die Zeit für dein Training – es lohnt sich!

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